Auf der Insel der einsamen Herzen ist das Wort “Date” oder “Verabredung” das wohl meist geläufigste. Um mal wieder Flugzeuge und Schmetterlinge im Bauch zu haben oder einen Grund für seine schlaflosen Nächte, gibt es mehr oder weniger erfolgbringende Vorgehensweisen: Speed Dating, Fisch sucht Fahrrad Partys oder Blind Dates und tausend anderer glorreicher und vielversprechend klingender Single-Rettungsringe. Neulich habe ich mich an Letzterem, dem Blind Date versucht, mit dem Résumé: “Hoffnungslos verfallen”. Nur dummerweise hat Amor’s Pfeil das falsche Objekt der Begierde getroffen und ich sah die Frage vor meinem geistigen Auge, wie auf einer hell leuchtenden Neonreklametafel:
“Warum bist du kein Mann?”
Angefangen hat es folgendermaßen: Seit gut einem Monat chatte ich mit “Californiaboy666“ in einer Community. Da wir uns sympathisch waren und scheinbar auf einer Welle schwammen, beschlossen wir uns zu treffen. Der Tag, der Ort, die Zeit alles wurde genaustens geplant und die Vorfreude und Aufregung war riesig. Der Tag der Verabredung war gekommen und mein Ganzkörper-Tuning war genaustens durchdacht. Duschen, Haare stylen, Make-Up auflegen, Outfit zusammenstellen, welches mich schon Tage vorher kostbarer Stunden beraubt hatte und meine neue Handtasche mit und für allen Eventualitäten packen. Noch schnell im Handy die “Alibi-und Du bist so begehrt Funktion” aktivieren, mit der besten Freundin das Hilfe-Anruf-Signal absprechen und – ab ging`s!
Im Cafe angekommen, suchte ich mir einen Tisch von dem ich alles beobachten konnte, wer, wie kam und ging was wer wie machte und tat, ohne selber groß aufzufallen. Ich wollte Tom, so hieß meine Chat-Eroberung sofort bei Eintreffen in der Lokalität sehen und begutachten und mich auf eventuelle Gesichtsentgleisungen vorbereiten und eventuelles Entsetzen wappnen. Um Punkt 19 Uhr wie verabredet, also pünktlich wie ein Maurer, betrat eine männliche Gestalt mit suchendem Blick das Cafe, kurze, blonde leicht wellige Harre – wild gestylt – der Out Of Bed Look, ein weißes, figurbetontes Shirt und eine Jeans mit cooler Waschung in Used-Optik schmückte und unterstrich seine muskulöse, maskuline Statur. Dann passierte es, es kam der Moment der mein bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellte, als mein Blick sich runter bewegte und meine Augen sich einfach nicht satt sehen wollten: Diese dunkelbraunen, robusten Lederboots an diesem Traum von einem Mann!
Ich erhob mich mit einem leichten süffisantem Lächeln auf den Lippen und konnte es kaum noch erwarten, das er mich endlich entdeckte. Eine gefühlte Ewigkeit später streckte er mir seine Hand zur Begrüßung entgegen. Im feinstem sächsisch wurde ich begrüßt: “Nu, Hallo. Isch bin dor Domm. Schön das de gegomme bist. Woll` mer uns dorte hin hogge?” Der Abend war gelaufen! Bingo der Kanditat hat 100 Punkte. Wir nahmen Platz und bestellten Getränke. Ich nahm gegen meine Prinzipien einen Mai Tai und bestand auf die doppelte Dosis Rum und machte damit bestimmt den besten Eindruck auf “Domm“. Auch sagte ich zu der Kellnerin, bevor überhaupt erst die Frage kam, nein essen möchte ich nichts, nur gleich die Rechnung. Warum bloß hat er gesprochen, jetzt erschloß sich mir ein weiterer Grund warum man sagt, Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Am liebsten hätte ich mir meine Lauscher zu gehalten oder gebrüllt: einfach mal Fresse halten – ich konnte es einfach nicht hören. Also starrte ich gebannt auf diese traumhaften Lederboots, an dem Grund meiner schlaflosen Nächte und versuchte alles rundrum auszublenden. Mist, ich mußte mich zusammenreißen und meiner guten Erziehung folgen und wenigstens so tun als würde ich zu hören. Er babbelte ohne Punkt und Komma und ich machte mir langsam Sorgen, um seinen Sauerstoffgehalt im Körper, da er noch nicht mal zum Luftholen seinen sächsischen Mund hielt. Und dann nach einem nicht zu erwartendem Moment des Schweigens und der kurzen Frage, wie ich das Wetter denn heute so fand, konnte ich mir ein inbrünstiges Gähnen nicht verkneifen. Was folgte war eine drückende Stille. Jetzt oder nie, ich mußte es tun, denn der Typ hatte sich eh schon ins Aus geschossen: “Sag mal, die Boots, die du an hast – von welcher Marke sind die?” Er erzählte mir voller Inbrunst, das wären Red Adair Boots von dem berühmten amerikanischen Firefighter Paul Neal Adair, den man wohl auf Grund seiner roten Haare Red Adair nannte. Jetzt lief er erst richtig zur Höchstform auf und erzählte mir alles über dieses amerikanische Feuerwehr-Idol und plötzlich hörte ich ihm endlich einmal zu. Kein Wunder denn ich war ja vom ersten Anblick an verliebt, zwar nicht in den Mann, aber in die Lederboots von Red Adair. Nach dem er damit fertig, gab es nichts mehr was ich von ihm wissen wollte oder ihm von mir erzählen sollte und wollte.
Zeit für den “plötzlichen” Notfall-Anruf von meiner Freundin, deren Freund sich gerade aus heiterem Himmel von ihr getrennt hatte und dringend moralische Unterstützung brauchte (Was für ein Timing). Verständnissvoll und sehr ergriffen bekundete er sein Einsehen und ließ mich, die es natürlich sehr bedauerte jetzt schon gehen zu müssen, von Dannen ziehen. Mit einem weinenden und einem lachenden Augen muß ich sagen, habe ich von diesem Mann nichts mehr gehört. Aber ich bin nicht traurig, denn ich habe ich mein Herz verschenkt – auch wenn es der Schuh war, diese tollen Lederboots von Red Adair, der mir den Kopf verdreht hat. Und Red Adair klingt tausend mal schöner, als Domm, ich meine Tom. Red Adair der Grund meiner schlaflosen Nächte.